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Die Wachteln

Ein einzelnes Tier zu retten, verändert nicht die Welt.
Doch die ganze Welt verändert sich für dieses eine Tier.
(Verfasser unbekannt)

Danke, unbekannter Verfasser, für diese bemerkenswerten Worte. So oft wirst Du im Internet zitiert, niemand jedoch kann Dir persönlich danken für diese zwei einfachen, gleichwohl eindringlich bewegenden Sätze.

Wir können sie nicht alle retten. Irgendwann ist das Rudel vollständig, mehr Rudel geht einfach nicht. Daher hatten wir mit unseren Hunden, der Katze, den Kaninchen und dem Degu das Rudel für komplett erklärt.

Bis im Oktober 2014 wieder einmal so ein Anruf meines Mannes kam. Jemand habe ihn angesprochen, da gebe es vier Wachteln, und die könne dieser Jemand nicht mehr brauchen. Ob wir sie haben wollten? Nach intensiver Beratung bestärkten wir uns beide, dass es das Vernünftigste sei, bei unserer Entscheidung zu bleiben, kein weiteres Tier aufzunehmen. Auch wenn es bedeutete, dass die Wachteln den Winter nicht erleben würden. Nein, wir können sie nicht alle retten. Nein, wir haben schon genug zu tun mit unserem Rudel. Nein, wir kennen uns nicht aus mit Wachteln. Nein, wir… Nein. Beschlossen. Endgültig. Im gegenseitigen Einvernehmen. Jawohl.

Zwei Tage später eine SMS von meinem Mann: Die vier Wachteln würden am selben Abend definitiv in den Backofen kommen. Der bisherige Halter könne sie einfach nicht mehr gebrauchen; er habe genug Geflügel, jetzt reiche es.

Backofen. BACKOFEN?

Mein Mann vereinbarte, die vier Wachteln abends abzuholen.

Gesagt, getan. Geholt, gebracht. Und - Überraschung! Es waren keine vier Wachteln. Es waren ein Hahn mit sechs Hennen, eine der Hennen gerade einmal sechs Wochen alt (sozusagen ein Wachtelkindminihuhn).

Die wichtigste Frage wurde direkt geklärt: Sollen die Namen der Wachteln mit „A“ beginnen, wie es so üblich ist? Oder mit „W“ wie Wachtel? Mein Mann wählte „W“ wie Wachtel.

Herzlich Willkommen,
Werner mit Walli, Waltraud, Wendi, Wanda, Wolke und Wilhelmine!

Werner, der Hahn, GeschecktWerner, der Hahn, GeschecktZunächst fanden die sieben Mini-Hühnchen Platz in einem nicht mehr benötigten Kaninchenstall. Aber uns war direkt klar, dass die Haltung in einem engen Stall keinesfalls artgerecht und ausreichend ist. Bis wir ein vernünftiges, zusätzliches Gehege bauen konnten, war eine Zwischenlösung nötig. Und so mussten die Kaninchen ein Stück vom Außengehege hergeben, und die sieben Piepers hatten ein neues Zuhause.

Walli, GoldfarbeneWalli, GoldfarbeneWas für eine Freude, die Hühnchen aufgeregt umherlaufen zu sehen. Tatsächlich kannten sie bisher nur die (Kaninchen-)Stallhaltung. „Die brauchen nicht viel Platz“, teilte der ehemalige Halter meinem Mann beim Abholen mit, „und fliegen tun die auch nicht. Und wenn, höher als 20 cm kommen die sowieso nicht!“ Klar, wenn ein Vögelchen im Kaninchenstall lebt, dann versucht es gar nicht erst, seine Flügel einzusetzen. - Die ersten Flugversuche waren rührend: Der Abflug klappte tadellos und rasend schnell, die Landung allerdings war eher unsanft. Aus dem Stand heraus schaffen die Minis es locker, 2 m hoch zu fliegen. Gut zu wissen für den Bau des neuen Geheges!

Waltraud, GoldfarbeneWaltraud, GoldfarbeneGanz so spontan und unvorbereitet, wie sich die Aufnahme der Wachteln jetzt liest, war das Ganze nun doch nicht. Als die Kaninchen von heute auf morgen bei uns einzogen, hatten wir verstanden, vor der Aufnahme eines neuen Tieres zunächst für ausreichende Kenntnisse bez. der Bedürfnisse und Eigenheiten zu sorgen, um dann im zweiten Schritt dem Tier eine halbwegs artgerechte Umgebung bieten zu können. Und zwar beim Einzug, nicht umgekehrt.

Wanda, WildfarbeneWanda, WildfarbeneEin Jahr zuvor hatten wir ernsthaft in Erwägung gezogen, ein paar Hühner aufzunehmen (es war und besteht weiterhin ein drängendes Bedürfnis, „ausgedienten“ Legehennen ein bisschen Lebensfreude geben zu dürfen). Nach der Lektüre mehrerer Fachbücher mussten wir jedoch erkennen, dass wir Hühnern leider kein Wohlfühlzuhause bieten können - dafür reicht ganz einfach der Platz nicht aus.

Wendi, Wildfarbene, "das Küken"Wendi, Wildfarbene, "das Küken"Wachteln sind tatsächlich Minihühnchen, also war das bereits angeeignete Halbwissen über Hühner an sich nicht umsonst, sondern konnte direkt angewendet werden. Die speziellen Wachtelfeinheiten, so dachte ich, könne man über entsprechende Wachtelliteratur kennenlernen. Gute Idee, nur gibt es leider insgesamt genau drei oder vier Wachtelbücher auf dem Markt. Nicht zu fassen. Wachteln scheinen es nicht wert zu sein, dass man ihnen ein allumfassendes Buch widmet. Es wird viel über Zucht und Farbschläge und Verwertungsmöglichkeiten geschrieben. Aber ein Wachtelkompendium, das alles bez. Physiologie (inklusive dem Wunder des Eierlegens), Verhalten, artgerechter Haltung (z. B. tatsächlichem Platzbedarf) und so weiter beschreibt, das muss, scheint’s, erst noch geschrieben werden.

Wilhelmine, Weiß geflecktWilhelmine, Weiß geflecktUnsere Minihühnchen sind übrigens Japanische Legewachteln. Das sind wohl die meist verbreiteten Wachteln, und dies liegt wahrscheinlich daran, dass sie auf höchste Legeleistung gezüchtet wurden, wobei ihnen aber, wie ihren größeren Hühner-Verwandten in den Legebatterien, der Bruttrieb weitestgehend weggezüchtet wurde.

Bei Walli, Waltraud, Wendi, Wanda, Wölkchen und Wilhelmine wird bei uns kein Wert auf höchste Legeleistung gelegt. Sie werden den Winter über nicht unter künstlichem Licht dazu getrieben, gegen ihre Natur jeden Tag ein Ei zu legen. Von ihnen wird erwartet, dass sie sich einfach ihres Lebens erfreuen. Und sie sollen uns jeden Tag aufs Neue mit ihren individuellen Verhaltensweisen erstaunen, damit wir von ihnen lernen können. Denn aus Büchern lernen können wir dies nicht.

Wolke, Weiß, was sonstWolke, Weiß, was sonstIn der kalten Saison 2014/2015 wird dieses neue Leben noch eingeschränkt im abgetrennten Teil des Kaninchenaußengeheges stattfinden. Für die kalten Tage ist das Wachtelabteil aber schon mit einer großen selbstgezimmerten Rückzugsbox ausgestattet, und in der Box steht eine Küken-Wärmeplatte bereit. (Im Moment, Dezember 2014, ist die Box nebst Wärmeplatte noch höchst suspekt; „W“ wie Wachtel buddelt sich lieber für die Nacht im Einstreu unter den Fichtenzweigen ein. Mit Stroh-Häubchen auf dem Kopf.)

Im Frühjahr 2015 wird dann das Wachtelgehege in Angriff genommen, mit viel, viel Platz nach rechts und links und vor allem in die Höhe… Bis dahin versammelt Werner seine Mädels bei Sonnenauf- und -untergang mittels seines unglaublichen leisen Krächzens (nein, Krähen kann man das sanfte Geräusch wirklich nicht nennen) um sich, und es wird gekuschelt, gezankt, umhergelaufen, geflattert, und natürlich nach Herzenslust im Boden gescharrt und gepickt.