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Schnüppchen

Schnuppie, das arme WürmchenSchnuppie, das arme WürmchenEin weiterer Anruf, hier sei noch ein „Durchfallhäschen“, völlig apathisch im Mini-Freilaufgehege im Vergnügungspark, es rühre sich nicht mehr. Ob…? Na, Platz genug hätten wir ja, also her mit dem armen Wurm.

Und „Würmchen“ war der erste Name dieses unglaublichen Kaninchens, das halbtot in unserer Garage einzog. Der verschmierte Hintern war kein Durchfall, sondern eine einzige, riesige verkrustete Wunde. Der arme Wurm war offensichtlich ein unterlegenes, schwaches Tier, das mangels Fluchtmöglichkeiten von jedem anderen Kaninchen im „Streichelzoo“ beliebig aus Dominanzgründen gerammelt worden war.

Der Tierarzt hätte ihn fast eingeschläfert, aber Würmchen war, trotzdem er der Schwächste war, ein unglaublich starker Kämpfer. Der große Lebenswille, der in diesem kleinen Wesen steckte, hat mir mehr über Kaninchen beigebracht, als ich jemals lesen kann. Er, dieses zarte, kleine, geduldige und vertrauensvolle Böckchen, hat definitiv Verständnis und Begeisterung für Kaninchen für immer geweckt. Er hat mir gezeigt, wie man mit Kaninchen umgeht, wie man mit ihnen redet, ihr Vertrauen gewinnt, und mich jeden Tag aufs Neue mit Näseln und Anstupsen belohnt. Vor allem aber hat er mich Hochachtung vor diesen geduldigen, unendlich leidensfähigen Geschöpfen gelehrt.

Obwohl „Würmchen“ genannt, sprach Pfötchenmann zuerst nur von ihm als „dem Braunen“, was mich ein bisschen ärgerte. Denn Würmchen, dieses spezielle Kaninchen, hatte ja wohl einen individuellen Namen verdient?!? Aber Würmele regelte auch dies. Einmal mit Pfötchenmann genäselt, und es wurde fortan nur noch vom „Schnüppchen“ geredet, was umgangssprachlich eine köstliche Süßigkeit bedeutet. Der Name war eine doppelte Ehre für das kleine braune Kaninchen, da der Spitzname „Schnupp“ bisher nur unserem Super-Hund Toby als Kosename vorbehalten war. Aber so war es ja dann auch, wir hatten zwei „Schnuppies“, denn beide, Hund und Kaninchen, waren sich absolut gleich was das sanfte Gemüt und den starken Lebenswillen betraf.

Ich hatte Schnuppie, wie auch den anderen Jungs, ein Mädchen versprochen. Das Versprechen konnte ich nicht halten. Der kleine Kerl konnte nicht gut hören und auch nicht gut sehen. Seine Bewegungen waren langsamer als die der anderen Kaninchen. Seit seinem Einzug hatte Schnuppie diverse Krankheiten, die er alle tapfer wegsteckte. Verstopfter Tränen-Nasen-Kanal, extremer Milbenbefall, dann, als "Krönung", EC (Schiefhals). Wer sich mit Kaninchen auskennt, weiß, welch furchtbare Krankheit Encephalitozoon cuniculi ist. Heute bin ich mir sicher, er hätte es schaffen können, wäre da nicht diese Krankenvorgeschichte gewesen und sein Allgemeinzustand so schwach. Er kam gut zurecht mit seinen Gleichgewichtsstörungen, aber am Ende haben seine Nieren versagt.

Die Monate Juni bis Oktober 2012 waren geprägt von Sorge um beide Schnuppies. Toby mit seinem Schlaganfall, Schnupp mit seinem EC. Jeden Tag bangen, hoffen, gut zureden. Jeden Tag Schnuppi mit Medikamenten quälen. Jeden Tag spezielle Kräuter und Blätter für ihn sammeln, damit er Kraft schöpft. Und wenn es regnet, jeden einzelnen Halm trocken tupfen, um nicht auch noch eine Kollik auszulösen. Jeden Tag, fünf Monate lang, mit einem Klumpen im Hals das Gehege betreten und mit der Gewissheit wieder verlassen, dass Schnuppi es schaffen wird. Weil er mir (fast) jeden Tag sein unglaublich süßes Gesichtchen zuwandte und mit mir näselte. Bis ich dann, im Oktober, beim Betreten des Geheges am Geruch sofort merkte, dass alles umsonst gewesen war. Und dass ich ihm jetzt, sofort, helfen musste.

Es heißt, wahre Liebe bedeutet loslassen zu können. Die Entscheidung, loszulassen und Erlösung geben zu lassen, fällt unsagbar schwer. Aber auch das, gerade das, gehört mit dazu, wenn man ein Wesen, und sei es noch so klein, in sein Rudel aufnimmt und damit Verantwortung für sein Leben übernimmt.

Toby wurde erlöst am 16.10.2012, Schnuppie eine Woche später am 23.10.2012. Und wie Toby, habe ich Schnuppie auf seinem letzten Weg nicht alleine gelassen.

Seitdem scheint die Sonne einfach nicht mehr so strahlend hell wie vorher.